Bruno Seidel
Zurück zum Archiv

Eines der auffälligsten Bauwerke Erfurts ist zweifelsfrei die evangelische Kaufmannskirche am Nordende des Angers, dem Zentrum der Stadt. Ab 2007 wurde sie außen und innen aufwändig saniert. Schmuckstück der Spätrenaissance-Ausstattung der Kirche ist der Hochaltar, der 1625 von den Gebrüdern Friedemann errichtet wurde. Am Reformationstag 2014 wurde der restaurierte Friedemann-Altar festlich wieder eingeweiht. Darüber kann man auf der Homepage der Kaufmannskirche ausführlich nachlesen.

Bei Renovierungsarbeiten im Fußbodenbereich des Altarraumes der Kaufmannskirche entpuppte sich eine zunächst unscheinbare, etwa 2x1 Meter große  Sandsteinplatte als ein im Kirchenboden umgekehrt verlegtes Gedächtnisbild. Erfurter Historikern ist es anhand des Todesdatums gelungen, das Bildnis dem Universitätsprofessor für Physik, Mediziner und Dichter Bruno Seidel aus Querfurt zuzuordnen. Er wurde um 1530 in unserer Stadt geboren und starb  am 5. September 1590 in Erfurt. Die Sandsteinplatte zeigt Seidel kniend und betend  vor dem gekreuzigten Christus. Neben Bibelzitaten findet man auch Seidels Wappen. Es zeigt Atlas mit der Weltkugel. Die Fachleute bescheinigen dem porträthaft herausgearbeiteten Kopf Seidels und der gesamten Darstellung eine vorzügliche Bildhauerarbeit und bezeichnen den Fund als „kulturhistorischen Schatz“ und einen „Glücksfall mit Blick auf die Luther-Dekade“. Für uns Querfurter ist es eine Sensation. Das Werk wird der Werkstatt Hans Friedemanns dem Älteren zugeordnet. Die Erfurter Historiker vermuten, dass die Platte als Epitaph an einer Kirchenwand aufgestellt war und dann zweckentfremdet als Fußbodenbelag verwendet wurde.

Die Forschungen zu dem Grabstein laufen noch. Ende Oktober 2016 findet in Erfurt ein Kolloquium zur Bildhauerfamilie Friedemann statt, wo auch über den Grabstein Bruno Seidels berichtet werden soll. Ein Vertreter unseres Vereins wird daran teilnehmen.

Der bisher bekannte Lebenslauf Bruno Seidels oder auch Seidelius, wie er sich in Gelehrtenart nannte, ist schnell erzählt.

Er studierte ab 1546 in Wittenberg an der philosophischen und medizinischen Fakultät. Seidel lernte u.a. bei dem Reformator Philipp Melanchthon.  Er promovierte in Padua zum Doktor der Medizin, war in Arnstadt als Arzt tätig  und wurde schließlich  1566 an die Universität Erfurt als Professor der Physik berufen. Außerdem hat er sich als Sprichwortsammler und neulateinischer Dichter hervorgetan. Er gehörte in der Generation nach Martin Luther zu den prominenten Erfurtern. Dafür sprechen auch der für die Platte verwendete hochwertige Material und die hervorragende Bildhauerarbeit. Sein Todesjahr kann durch die Grabplatte nunmehr zweifelsfrei bestimmt werden.

Der Altertums- uns Verkehrsverein Querfurt und Umgebung e. V. wird seine Spurensuche fortsetzen und zu gegebener Zeit erneut berichten.

Dr. Konrad Kühne